Mythos Atlantis

300 v.Chr.
Krantor von Soloi, Mitglied der Platonischen Akademie in Athen, reist in die ägyptische Stadt Sais, um Platons Angaben vor Ort zu überprüfen. Im 'Tempel der Neith', so sein Bericht, stünden 'Säulen' mit eingravierten Atlantis-Texten.


um 50 v.Chr.
Plinius der ältere unternimmt einen ersten Lokalilsierungsversuch. Er bringt Atlantis mit der in Südspanien gelegenen Handelsmetropole Gades (heute Cádiz) in Verbindung.


1475
Toscanelli, ein Renaissance-Kartograph, entwirft in Anlehnung an Platon eine Weltkarte, auf der zahlreiche große Atlantik-Inseln eingezeichnet sind. Kolumbus benutzt das Werk bei seiner überfahrt nach Amerika.


1530
Girolamo Frascatoro, Arzt und Humanist, identifiziert den neuentdeckten Kontinent Amerika mit dem -nicht untergegangenen- Hauptland Atlantis.


1638
Der britische Lordkanzler Francis Bacon vermutet Atlantis in Brasilien.


um 1700
Olof Rudbeck, Rektor an der Universität im schwedischen Uppsala, fährt die Gründung seiner Heimatstadt auf die Atlanter zurück. Die Goten seien Nachfahren der Atlantischen Rasse.


1779
Der französische Revolutionstheoretiker Jean Sylvain Bailly erhebt Sibirien zum 'Ursprungsland der Kultur' und verknüpft es mit der Tradition von Atlantis.


1803
Bory de St. Vincent, ein Offizier Napoleons, deutet in seiner 'Geschichte und Beschreibung der Kanarien-Inseln' die Kanaren als Reste des untergegangenen Inselkontinents.


um 1870
Augustus Le Plongeon, ein Abenteurer und Phantast, sieht in den Mayas von chichèn Itzà Abkömmlinge der Atlanter. Es folgen Amateurgrabungen in Mexico.


1882
Der USKongressabgeordnete Ignatius Donnelly nennt in seinem Bestseller 'Atlantis- die vorsintflutliche Welt' als Urheimat der Atlanter die Azoren. Pyramidenbau, Eisenmetallurgie und Schriftkultur seien von der Atlantischen Hochkultur angestoßen worden. Die Azorentheorie wird 1954 von dem Ingenieur Otto Muck wiederbelebt.


1922 bis 1926
Der deutsche Archäologe Adolf Schulten fährt in Südspanien Suchgrabungen an der Mündung des Guadalquivir durch.


um 1930
Der Althistoriker Robert Graves vermutet Atlantis in Nordlybien, am 'Triton-See', einer riesigen Salzlagune, die vor 5000 Jahren austrocknete.


1931
Hitlerverehrer Heinrich Pudor erklärt Helgoland zum Standort eines -von Ariern bewohnten- atlantischen Reichs. SS-Chef Himmler lässt später vor der Insel unterseeische Messungen durchführen.


1935
Hermann Wirth, Präsident des NS-Vereins Deutsches Ahnenerbe, ortet Atlantis in der nördlichen Arktis.


1939
Spyridon Marinatos, ein griechischer Archäologe, bringt Atlantis mit dem Untergang der minoischen Kultur in Verbindung. Auslöser des Desasterssei der -historisch verbürgte- Ausbruch des Vulkans Thera auf Santorin um 1450 v.Chr.. Mehrere Expeditionsteams, darunter der Unterwasserforscher Jacques Cousteau, überprüfen das Szenario.


1953
Von einem umgebauten Kutter aus taucht der Bordelumer Pastor Jürgen Spanuth vor Helgoland, um Spuren der Sagenstadt Basileia (=Atlantis) zu finden.


um 1970
Gleich mehrere Autoren, darunter Charles Berlitz, verlegen Atlantis in die Karibik (Bermudas, Bahamas, Bikini-Atoll). Unter Wasser vermutete Artefakte entpuppen sich allerdings als natärliche Gesteinsformationen.


1984
Die sowjetischen Forschungsschiffe Witjas und Rift erkunden vor der Straße von Gibraltar den Unterwasserberg Mount Ampére - ohne Ereignis.


1991
Nach Interpretationen alter Sagen deutet Ior Bock, ein finnischer Historiker, die Atlanter als Art Frostvolk, das am Ende der letzten Eiszeit nahe Helsinki aus den abtauchenden Gletschern kroch. Bocks etymologische Ableitung lautet: Atlantis = Altlandis = All land is ice.


1992
Der Geoarchäologe Eberhard Zangger stellt erstmals die Formel Atlantis = Troja auf. Hinter Platons Bericht verberge sich eine verzerrte Erinnerung an den Trojanischen Krieg.


Die Herkunft der Atlantislegende
In grauer Vorzeit ritzen ägyptische Priester den Atlantis-Bericht auf eine Hieroglyphensäule. Sie steht im Neith-Tempel in Sais.

um 560 v.Chr. : Der Staatsmann Solon besucht Ägypten und überträgt den Text gemeinsam mit dem Priester aus Sais ins Griechische. Beim Dolmetschen entstehen Probleme. Solon versteht die geographischen Ausdrücke und Ortsnamen auf der Steinsäule nicht. Deshalb 'forschte er nach der Bedeutung der Eigennamen',' suchte den Sinn wieder zu erfassen' und 'übersetzte ihn in unsere Sprache zurück' (Platon).

360 v.Chr. : Solons Fassung benutzt Platon als Grundlage für seinen Dialog 'Kritias', ein naturkundlich-historisches Werk, in dem der Atlantis-Bericht eine zentrale Stelle einnimmt.


Orte, an denen Atlantis vermutet wurde
Bolivien, Brasilien, Chichén Itzà, Bahamas, Bermudas, Kapverden, Kanaren, Madeira, Spanien, Azoren, Bretagne, Cornwall, Scilly-Inseln, Island, Helgoland, Uppsala, Helsinki, Ostpreußen, Vineta/Rungholt, Santorin, Troja, Kreta, Lybien, Sais, Judäa, Madagaskar, Sri Lanka, Sibirien.


Spekulationen um Atlantis
Nach Angabe der ägyptischen Priester liegt Atlantis "vor einer Mündung", die zwei groáe Meere verbindet. Das Meer, in dem Atlantis liegt, wird als ein Binnenozean beschrieben, der "rings von Festland umkränzt" ist. Solon identifiziert die angesprochene Meerenge mit Gibraltar und verlegt das Geschehen damit in den fernen Westen. Das aber würde bedeuten, dass das Meer hinter Gibraltar vollständig von einem jenseitigen Kontinent umschlossen sein müsste. Eine kuriose Idee, die der Dubliner Althistoriker John Luce auf einer Weltkarte skizziert hat.

Die Luce-Version verträgt sich nicht mit dem gängigen Weltbild der Antike. Danach wird stets die bewohnbare Welt ringsum von Wasser umflossen, bei Herodot vom Okeanos.

Da Platon seine völlig anders geartete Topographie als wahr ausgibt und sogar ins Zentrum einer wissenschaftlichen Schrift stellt, suchen einige Experten den Denkfehler bei dessen Gewährsmann Solon. Der habe den Tempeltext aus Sais missdeutet. In Wahrheit sei nicht Gibraltar, sondern eine andere Meerenge gemeint: die Dardanellen. Bezogen auf diesen Isthmus, ergibt sich ein weniger phantastisches Bild: Wo Platon vom "Atlantischen Meer" spricht , wäre dann das Schwarze Meer gemeint. Dieses ist in der Tat rings von der eurasischen Landmasse umgrenzt.